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Feldstudie: Wanderspezies Neuseeland

In einer ausgiebigen Feldstudie haben wir die hiesige Wanderspezies untersucht. Denn anders als in unserer Heimat, ist diese Spezies hier in überdurchschnittlichem Masse vorhanden. Es war uns darum ein Anliegen zu ergründen, was die vielen Menschen hier zum Wandern treibt. Wir haben diese interessante und manchmal durchaus sonderbare Spezies indes auf unseren zahlreichen Wanderungen beobachtet, ausführlich dokumentiert, kategorisiert und schlussendlich zu acht Wandertypen aufgeschlüsselt. 

 

Warnung: Der folgende Text ist gespickt mit Vorurteilen, Stereotypen und nicht immer ganz ernst zu nehmenden Aussagen. Er ist weder diplomatisch korrekt (bin ich ja sowieso selten) noch gendergerecht geschrieben. Der Text soll aber niemanden beleidigen, sondern auf humoristische Weise aufzeigen, wer hier in Neuseeland alles auf Wanderwegen und entsprechend auch auf Reisen anzutreffen ist. Der eine oder andere kritische Seitenhieb ist aber durchaus gewollt. Falls du damit nichts anfangen kannst, dann lese jetzt bitte nicht weiter. Sollte sich jemand ertappt oder dennoch beleidigt fühlen, möchten wir uns herzlich dafür entschuldigen*. 

Ausrüstungsfetischisten; die 

Sie sind der Traumkunde jedes Outdoorshops. Damit ihnen unterwegs nichts passieren kann, sind sie ausgestattet mit der vollen Hochgebirgsausrüstung, selbst wenn der Pfad eher an einen Spazierweg an der Aare erinnert, als an einen alpinen Wanderweg. Ob sie für den Ernstfall wirklich gewappnet wären, blieb uns während der Studienphase zum Glück vorenthalten.

Ausrüstung/Erscheinung: Ihre Ausrüstung ist nagelneu. Von Handschuhen über Gamaschen, verfügen sie über alles, was das Sortiment des Outdoorshops ihres Vertrauens hergibt. Bei dieser Materialschlacht kommt selbst die Fotografin (siehe weiter unten) ins Staunen, besonders ab dem kreativen Einsatz des Stativs. Der Ausrüstungsfetischist stellt das Stativ nämlich nicht etwa auf den Boden, nein, er nutzt es als Verlängerung der Kamera und stemmt es mit aller Kraft samt Kamera in die Höhe. Muss wohl irgendein modernes Extra haben, eine Pendelfunktion oder so. 

Vorkommen: Eher selten, aber überall möglich. In der vorliegenden Feldstudie sind sie aber vorwiegend auf den einfachen Spazierwegen gesichtet worden.

Sportliche; der 

Der Sportliche läuft den Berg nicht hoch, nein, er rennt. Die Landschaft ist für ihn zweitranging, viel wichtiger ist die Challenge und der sportliche Erfolg. So vergeudet er auch keine Zeit mit Gipfelpausen oder Fotostopps, denn schliesslich zählt jede Sekunde auf der Stoppuhr. Kaum ist er oben, rennt er auch schon wieder zurück.  

Ausrüstung/Erscheinung: Zu seiner spärlichen Ausrüstung gehören ein sportliches Outfit mit kurzen Hosen, T-Shirt und eine Wasserflasche oder ein Camelbak*. Alles andere ist überflüssig und hindert ihn nur, eine neue Topzeit zu erreichen. 

Vorkommen: Auf jedem beliebigen Wanderweg, sei er auch noch so steil und lang.

*Wasserrucksack mit Trinkschlauch

Insta-Queen; die 

Die Insta-Queen interessiert sich nur für den Hotspot oder besser gesagt für ihr Selfie am Hotspot. Der Weg dorthin ist uninteressant und wird entsprechend möglichst schnell abgespult oder mit Blick aufs Handy bewältigt. Die Natur interessiert sie nur wenig, ausser natürlich sie ist Teil ihres Fotos. Das Wichtigste im Bild ist aber sie selbst. Um sich an den entsprechenden Plätzen in Szene zu setzen, ist ihr kein Weg zu weit, keine Absperrung zu hoch und keine Anstrengung zu gross. Kreativität ist übrigens nicht erwünscht, das Foto muss genau so aussehen, wie das der tausenden Queens zuvor. 

Ausrüstung/Erscheinung: Sie ist jung, hübsch und meist sportlich. Wahlweise trägt sie Sport- oder Regenklamotten in leuchtenden Farben oder sie ist top gestylt z.b. mit rotem Wala-Wala-Kleidchen.

Vorkommen: Zahlreich, vor allem in bekannten Gegenden, die auf Instagram beliebt sind. 

Unterkategorie: Dokumentator; der

Anders als die Insta-Queen ist für den Dokumentator der Weg das Ziel. Genauso wichtig dabei ist aber er selbst. Darum dokumentiert er sich auf dem Weg ausführlich. Ihn erkennt man am besten an dem filmenden Handy in seiner Hand oder der GoPro auf seinem Kopf. Nicht analysiert wurde in der Feldstudie, was der Dokumentator mit dem stundenlangen Filmmaterial macht und ob er es je wieder anschauen wird. 

Fotografin; die 

Die Fotografin dokumentiert jeden Zentimeter ihrer Umgebung, gerne auch aus unterschiedlichen Winkeln. Entsprechend langsam kommt sie voran. Sie ist angewiesen auf eine geduldige Begleitung. Ihre grösste Feindin ist die Insta-Queen. Steht sie doch immer mitten im Bild und ruiniert ihr die Fotos mit den doofen leuchtenden Klamotten. Eine Gemeinsamkeit hat sie aber dennoch mit ihrer Feindin. Auch die Fotografin missachtet gerne Absperrungen und Hinweise, um an das perfekte Foto zu kommen. Sehr zum Unmut ihrer geduldigen Begleitung.

Ausrüstung/Erscheinung: Bewaffnet mit mindestens einer Kamera, einem schweren Rucksack mit Wechselobjektiven und einem Stativ trifft man sie entlang des Weges. Sie ist am liebsten frühmorgens oder bei Sonnenuntergang unterwegs, immer auf der Jagd nach dem besten Licht. 

Vorkommen: Eigentlich überall, aber mit Vorliebe für panoramareiche Wanderungen. 

Freund; der 

Er ist meist mit a) der Insta-Queen oder b) der Fotografin unterwegs. Je nach Spezies unterscheidet er sich aber massgeblich. Im Fall a) ist er derjenige, der geduldig die zahlreichen Fotos macht (siehe auch Bild bei der Insta-Queen). Ob er sich dabei verrenken, auf den Boden liegen oder hin- und her laufen muss ist ihm egal, er gibt stets vollen Einsatz um seine Frau glücklich zu machen. Der Freund im Fall b) ist nicht minder eingespannt. Er ist der geduldige Begleiter, der mehr oder weniger freiwillig auch mal assistiert und ihr gezwungenermassen die Ausrüstung hinterherträgt, weil sie einfach zu umfangreich ist, dass sie die Fotografin selbst tragen könnte. 

Zwar ist der Freund in beiden Fällen meist im Hintergrund tätig, ohne seinen unermüdlichen Einsatz wären viele Topshots aber nie entstanden. Vielen Dank an dieser Stelle an einen ganz bestimmten Superfreund und natürlich auch all die anderen geduldigen Freunde auf dieser Welt.

Ausrüstung/Erscheinung: Handy und/oder Rucksack, Stativ und sonstige wichtige Utensilien. Oft hat er auch noch Hut, Wanderstöcke und Sonnenbrille der Freundin in den Händen, da diese ja a) gerade für ein Foto posiert oder b) selbst am Fotografieren ist und darum mit dem Zeugs nichts anfangen kann. 

Vorkommen: Überall, wo die Insta-Queens und die Fotografinnen unterwegs sind. 

Gruppenwanderer; die 

Wie der Name schon sagt sind sie in Gruppen unterwegs. Sie halten bei jedem Grashalm und lassen sich jeden Stein erklären. Die Erklärungen des Guides werden mit synchronen Ahhhs und Ohhhs honoriert. Sind sie in Bewegung, so laufen sie brav einer dem anderen hinterher. 

Zwar sind die Wanderwege meist gut ausgeschildert und problemlos individuell zu meistern, doch um es in den Worten des Kapitäns eines Ausflugsschiffs zu sagen: „Gewisse Menschen brauchen einfach die regelmäßige Bestätigung ihres Guides, der ihnen sagt, wie toll sie es machen“. 

Ausrüstung/Erscheinung: Ihre Ausrüstung ist meist wenig zweckmäßig, ausser natürlich die vom Gruppenguide. Er ist der Naturbursche durch und durch und bewaffnet mit jedem Schnick-Schnack und problemlos in der Lage, jeden Notfall in der Wildnis zu meistern.

Seine Ausrüstung ist meist schon etwas abgegriffen, doch jede Schramme zeugt von spannenden Abenteuern, von denen er unterwegs beim Pic-Nic oder abends beim Lagerfeuer nur zu gerne erzählt.

Vorkommen: Gruppen sind in der Regel eher auf den einfacheren Wegen unterwegs. Dort dafür sehr zahlreich, manchmal auch mit etwas Abstand in kleinere Teilgruppen aufgeteilt.

Familie; die 

Sie sind oft schon zu hören, bevor man sie sieht. Eines der Kinder schreit nämlich immer. Oder die Eltern schreien, weil die Kinder a) vorauseilen, b) in die einzige Pfütze weit und breit springen oder c) quengelnd auf dem Boden sitzen/liegen. Sind dann alle wieder eingesammelt, versuchen sie mit viel Ausdauer ein Familienfoto zu machen, auf dem alle gleichzeitig in die Kamera lächeln. 

Ausrüstung/Erscheinung: Auf den ersten Blick sind sie leicht mit der Fotografin zu verwechseln, da auch Familien riesige Rucksäcke mit sich herumschleppen. Diese sind aber gefüllt mit Verpflegung und Ersatzkleidung, um den Nachwuchs bei Laune zu halten. 

Vorkommen: Meist auf den kurzen und abwechslungsreichen Wanderungen anzutreffen, die reich an Tieren sind oder mit Klettersteinen, Hängebrücken und tollen Wäldern für die nötige Abwechslung sorgen. 

 

Lässige; der (leider bis dato kein Bildmaterial vorhanden)

Möglichst cool schlendert er den Weg entlang. Meist ist er umgeben von 2-3 jungen Damen, denen er von seinen zahlreichen Reiseabenteuern erzählt und gerne auch mit ihnen flirtet. 

Ausrüstung/Erscheinung: Entgegen dem Ausrüstungsfetischisten ist für ihn weniger mehr. Er trägt meist ein Trägershirt oder maximal ein cooles T-Shirt sowie Ketteli und Lederarmband. Eindeutig zu identifizieren ist er aber an seinem Schuhwerk, trägt er doch am liebsten Flip-Flops oder Birkenstock. Wasser und Verpflegung braucht er genau so wenig, wie einen warmen Pulli oder eine Regenjacke, würde das ganze Equipment doch sein cooles Erscheinungsbild beeinträchtigen. 

Vorkommen: Er ist eher auf kurzen Wanderwegen unterwegs. 

 

 

*Aus Gründen des Datenschutzes wurden die Bilder so aufgenommen, dass keine Personen erkennbar sind. Bei Personen die erkennbar sind, wurde die Erlaubnis für die Publikation eingeholt. 

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Kommentare: 5
  • #1

    Mirjam (Dienstag, 08 Januar 2019 20:28)

    Ach einfach köstlich �. Freue mich stets auf neue Einträge!

  • #2

    Joelle (Mittwoch, 09 Januar 2019 15:44)

    Hammer text muriel:)grosses talent!

  • #3

    Muriel (Mittwoch, 09 Januar 2019 21:24)

    Merci mini Liebe �

  • #4

    Sabine (Donnerstag, 17 Januar 2019 21:37)

    Toll geschrieben. Und ja, ich erkenne mich wieder, 2x �

  • #5

    Muriel (Donnerstag, 17 Januar 2019 21:38)

    ;-)