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Viva Argentina!

Liebe auf den zweiten Blick

Wir sitzen schlaftrunken im Bus, als plötzlich der Busbegleiter neben uns steht und Jochen forsch auf Spanisch auffordert mitzukommen. Ich habe wiedermal gar nix verstanden und bleibe etwas perplex zurück. Es dauert ewig und als der Busbegleiter bereits Passagiere zählt, werde ich nervös. Umständlich lege ich mir mein Sätzchen auf Spanisch zurecht und stehe sicherheitshalber mal auf. Man weiss ja nie... Doch irgendwann kommt Jochen dann zum Glück doch zurück und hält genervt ein Stück Papier in der Hand.

Das Problem? Wir haben es gewagt uns den Vorschriften zu widersetzen und haben das Busticket der Umwelt zuliebe nicht wie gefordert ausgedruckt. Ok zugegeben, es war vor allem aus Bequemlichkeit. Aber da wir ja das Ticket auf dem Handy vorweisen konnten, unsere Namen auf der Passagierliste standen und wir uns mit dem Pass ausweisen konnten, gingen wir davon aus, dass dies doch ausreichen müsste. Aber nicht in Argentinien. Während wir den Chauffeur beim Einsteigen noch mit viel Überredungskunst erweichen konnten, wollte uns die ausgewechselte Bus-Crew unterwegs dann unter keinen Umständen weiterfahren lassen. So musste sich Jochen in Tucumán an 20 Personen vorbei drängen und die Dame am Schalter bezirzen, damit sie ihm schnell das Ticket druckt, bevor der Bus weiterfährt. Digitalisierung lässt grüssen! Vom heiss ersehnten gedruckten Ticket haben die Herren im Bus dann übrigens einfach einen Schnipsel abgerissen, das wars.... 

 

Ohne Fleisch und Wein, können die Argentinier nicht sein

Eigentlich wollen wir nur ein paar Tage im Norden Argentiniens bleiben und vor allem den weiten Weg zu den Wasserfällen von Iguazú in Etappen aufteilen. Doch wie so oft auf Reisen, kommt alles etwas anders als man denkt. Da wir uns nun nicht mehr in einem modernen Industrieland befinden, mussten wir uns erst wieder an das kreative Chaos und das improvisierte Leben gewöhnen. Der Verkehr ist ein wildes Durcheinander, überall lungern Hunde (und die in unserem Hotel sind nicht mal stubenrein), die Fahrzeuge die hier das Strassenbild prägen, würden bei uns längst ihren Ruhestand auf dem Schrottplatz geniessen und die Auswahl im Supermarkt ist deutlich kleiner, als wir es von den letzten Monaten gewohnt sind. Vor allem die Gemüseabteilung fristet ein trauriges Dasein. Zudem sind die Argentinier, trotz unseren Bemühungen etwas Spanisch zu lernen, kaum zu verstehen. Sprechen sie doch manchmal mit einem so starken Akzent, dass es sich für uns eher wie Chinesisch anhört. Doch der “Schock” weicht schnell einem Dauerlächeln. Denn die Lebensfreude der Argentinier ist ansteckend. Sieht man etwas genauer hin, entdeckt man überall farbenprächtige Häuser, hilfsbereite und freundliche Menschen und ein fröhliches und stolzes Volk, für welches Fleisch, Wein und Musik alles ist, was es für einen gelungenen Abend braucht. Da dies bekanntermassen auch uns ganz gut passt, geniessen wir die ersten Abende im Übermass. Es gibt Fleisch, mit Fleisch und dazu Fleisch. Es ist wirklich so, Gemüse gibt es höchstens alibimässig als Deko und der dazu bestellte Salat besteht oft hauptsächlich aus Dosenfutter. Einzig Pommes scheinen sie auch zu mögen und etwas grosszügiger zu reichen. 

Diese Völlerei (oder vielleicht auch das örtliche Wasser) führt dann auch dazu, dass ich mit einer Magenverstimmung zur Weindegustation fahren muss. Frau muss halt auch mal Opfer bringen, schliesslich sind wir nicht alle Tage im besten Weingebiet Südamerikas. Gemundet hat uns der Wein trotzdem, Mendoza ist schliesslich weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seine Spitzenweine. 

Nur mit der Essenszeit können wir Bünzli-Schweizer uns auch nach drei Wochen noch nicht arrangieren. Denn um 18:00 Uhr beenden die Argentinier gerade mal ihre Siesta. Vor 21:00 Uhr ist also nicht ans Nachtessen zu denken. Für mich, als gut trainierte Pöstlerin, ist das ein kleine Katastrophe... ( ja ja Claudia, lach nur... ich leide wirklich ;-)).

 

Verdächtig komische Bekanntschaften

Nach vielen Wochen in Campingidylle und trauter Zweisamkeit steht uns das Gemüt nach etwas sozialem Kontakt. Im extra ausgesuchten Hostel in Santiago scheitern wir aber erstmal, weil dort alle  mindestens 10 Jahre jünger sind  und unsere Kontakt-Aufnahme-Versuche nur gelangweilt zur Kenntnis nehmen . Doch so schnell lassen wir uns nicht unterkriegen und so wirken wir im Bus nach Salta wahrscheinlich ungewollt aufdringlich und vielleicht auch ein bisschen sonderbar, als wir zuerst Johanna und später Lorenz kennenlernen. Johanna jedenfalls gesteht uns später und nach meiner etwas umständlichen Kontaktaufnahme im Hotel (wir wussten weder ihren Namen noch ihre Zimmernummer), ihr Freund hätte gemeint wir würden sie sicher zerstückeln und irgendwo vergraben. Auch Lorenz scheint sich der Sache nicht ganz sicher und traut uns so einiges zu. Ist mir noch heute ein Rätsel, wie die beiden uns zwei so seriöse Persönlichkeiten so etwas zutrauen konnten... Es wird einige Zeit dauern, dieses Trauma zu überwinden... 

Wir verbringen dann doch zwei lustige Abende zusammen und Lorenz entschliesst sich sogar, mit uns  zusammen ein Auto zu mieten und gemeinsam die Gegend ummSalta zu erkunden. An dieser Stelle sei zur Beruhigung aller klargestellt, dass es beiden gut geht und dass es Lorenz schlussendlich sogar 5 ganze Tage mit uns ausgehalten hat. 

Wir hatten sogar eine richtig gute Zeit und endeten eines späten Abends im kleinen Bergdorf Iruya mit einer Flasche Wein auf einem Aussichtshügel unter dem beleuchteten Kreuz und philosophierten über Gott und die Welt... eine passendere Kulisse hätte es kaum geben können für solch ein Gespräch. Uns hat es jedenfalls sehr gut getan, mal wieder mit jemandem über etwas mehr als das nächste Reiseziel sprechen zu können. 

 

Auch unsere gemeinsame Wanderung entpuppte sich unerwarteterweise zu einem echten Abenteuer. Denn die Dame von der Touristeninfo hat uns zwar (völlig emotionslos) die Richtung zum nächsten Dorf angegeben, dabei aber vergessen zu erwähnen, dass man unterwegs hin und zurück etwa 15-mal den Bach queren muss, der Stellenweise fast hüfttief ist. Dass wir uns dabei auf 3000 Meter ü.M. befunden haben, hat das Unterfangen nicht gerade erleichtert. Spass gemacht hats aber trotzdem oder gerade deswegen. Danke Lorenz für die tolle Zeit. Wir hatten viel Spass.

 Unseren letzten Abend in der Region von Salta verbringen wir dann wieder zu zweit bei Enrique und seinen 40 Pferden auf seiner Estancia. Er ist ein Patron wie er im Bilderbuch steht. Er scheucht seine Angestellten und insbesondere seine Enkel mit seiner liebenswürdige Art zielsicher umher und duldet keinen leeren Teller und schon gar kein leeres Weinglas. Und so geniessen wir wieder mal Fleisch und Wein im Übermass. Jeder Widerstand ist zwecklos und wird mit einem charmanten “ahh, solo un pocito mas” übergangen. Merci Steffi für diese Empfehlung.

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Kommentare: 2
  • #1

    Jürg (Dienstag, 19 Februar 2019 08:05)

    Wunderschöne Fotos! - Welche? - Alle!

  • #2

    Muriel (Dienstag, 19 Februar 2019 14:57)

    Merci :-)